Wirtschaft

"Wertepartner" im Aus – Heiner Flassbeck zu Wirtschaftsfragen

Die Europäische Union stürzt von einer Krise in die nächste, die angeblichen Lösungsrezepte helfen nicht. Obendrein wenden sich immer mehr Länder vom kollektiven Westen ab, weil er seine ökonomische Unterstützung an Vorgaben bindet, die schädlich für die Empfänger sind. Der renommierte Ökonom Flassbeck geht mit westlichen Institutionen hart ins Gericht.
"Wertepartner" im Aus – Heiner Flassbeck zu Wirtschaftsfragen

In einem Gespräch mit dem Westend-Verlag nimmt der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen Stellung. Mit der Europäischen Zentralbank EZB, der deutschen Bundesregierung, aber auch mit dem Internationalen Währungsfonds IWF geht er hart ins Gericht und wirft ihnen vor, methodisch einseitig und angesichts von Fakten wie blind zu agieren. 

Zur Lage der ukrainischen Wirtschaft befragt, antwortet Flassbeck lapidar:

"In der Ukraine gibt es keine wirtschaftliche Lage."

Allerdings sei ja die Situation schon lange vor der Eskalation des Krieges katastrophal gewesen. Schuld daran trage die Politik der Öffnung gegenüber der EU. Es sei ein genereller Fehler, der sich immer wieder wiederholt und auch in der Ukraine gemacht wurde. Und der bestehe darin, solche Länder zur Öffnung ihrer Märkte zu drängen, die faktisch gegenüber westlichen Konzernen gar nicht konkurrenzfähig sind. Das drückt deren Wirtschaft auf das Niveau von reinen Rohstofflieferanten hinunter, sagt Flassbeck.

Das EU-Assoziierungsabkommen trage damit eine gravierende Schuld am wirtschaftlichen Niedergang der Ukraine, die mit der Unterschrift unter das Dokument unmittelbar nach dem Maidan-Putsch zudem ihren wichtigsten Handelspartner verlor: Russland. Russland befand sich mit der Ukraine in einer Zollunion, musste dann aber – um seine Märkte vor einer ungeregelten Überflutung mit Waren aus der EU zu schützen – die Verbindung mit der Ukraine kappen.

In Russland liefe es halbwegs, sagt Flassbeck, allerdings sehe es in der EU und im Euro-Raum bitter aus, fügt er hinzu. Er bescheinigt der Wirtschaft des Euroraums eine deutliche Verschlechterung der Lage. Nach dem Schock durch die repressiven Maßnahmen zu Corona-Zeiten sei unmittelbar ein weiterer Schock durch steigende Energiepreise und das Sanktionsregime gefolgt. 

Auf die steigenden Preise durch die externen Schocks hätte die EZB schließlich mit einer restriktiven Geldpolitik reagiert und die Zinsen erhöht. Sie hätte damit die Krise jedoch noch verschärft. Der Erfolg sei, dass die "milde Winterrezession", über die im vergangenen Jahr in den Wirtschaftsblättern geschrieben wurde, nun schon ein Jahr lang andauert. Die steigenden Preise seien per definitionem keine Inflation, da die Wirtschaft nicht voll ausgelastet und die Arbeitslosigkeit hoch sei. Nur hohe Auslastung bei niedriger Arbeitslosigkeit führe zu einer Lohn-Preis-Spirale. Echte Inflation sei ein sich verstetigender Prozess, der durch Geldpolitik gesteuert werden könne. Ein einmaliger externer Schock könne zwar zu Preissteigerungen führen. Der Preisdruck ließe dann aber von allein wieder nach. Er kann nicht durch Zinserhöhung reguliert werden. Die Leitzinserhöhungen der EZB haben lediglich die Wirtschaft weiter unter Druck gesetzt und das Investitionsklima weiter verschlechtert.

Breiten Raum in der Diskussion nimmt das Thema "Abkehr der Wirtschaft von fossilen Energieträgern" ein. In vielen Ländern der Welt gelte als Konsens, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht und auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe und den damit verbundenen Ausstoß von CO₂ zurückzuführen sei. Wolle man den Ausstoß verringern, gehe das nicht auf nationaler Ebene, argumentiert Flassbeck, sondern stattdessen nur in einer weltweit koordinierten, gemeinsamen Kraftanstrengung.

Die Bemühungen in Deutschland wie mit einem Heizungsgesetz, einer Verkehrswende und dem Umbau der Energieinfrastruktur auf erneuerbare Energien würden zwangsläufig verpuffen. Sie führen in Deutschland zwar zu hohen Belastungen, ändern aber global gesehen praktisch nichts am CO₂-Ausstoß. Nur mit einem global immer weiter steigenden Preis für fossile Energieträger, einem international vereinbarten Lastenausgleich und Umverteilungsregeln ließe sich die Abkehr von fossilen Brennstoffen bewerkstelligen. Ein einziges Land könne da gar nichts ausrichten. Das Öl, das Deutschland nicht kauft, kauft irgendwo auf der Welt jemand anders. Die Politik der deutschen Bundesregierung sei daher verfehlt und diene letztlich auch nicht dem Klimaschutz.  

Wichtiger aber noch sind Flassbecks Aussagen zu den Institutionen des internationalen Finanzsystems. Mit dem Auftreten Chinas sei eine Alternative entstanden. Während der Westen seine Investitionen und Hilfen an Bedingungen knüpfe, würden die neuen Akteure dies nicht tun. Die Bedingungen aber, die westliche Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank stellen, nämlich vor allem die Durchführung neoliberaler "Reformen", haben nahezu immer schädliche Auswirkungen auf die Ökonomien der betreffenden Länder.

"Viele Länder haben extrem schlechte Erfahrungen mit den Vertretern des Westens gemacht. China ist extrem erfolgreich mit seinem Ansatz, den Ländern zu helfen, ohne Bedingungen zu stellen. Wir sind die großen Bedingungen-Steller ..."

"Wir sind die 'Wertepartner'", sagt Flassbeck verächtlich, während die Chinesen kommen, gemeinsam eine Straße bauen und keine Bedingungen stellen. Es sei daher kein Wunder, dass sich immer mehr Länder vom Westen abwenden.

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