Deutschland

"Ampel"-Einigung: Regierung will Haushaltslöcher mit weiteren Kürzungen bei den Ärmsten stopfen

Statt die Superreichen mehr zur Kasse zu bitten, soll es wieder einmal den Ärmsten an den Kragen gehen. Um selbstverursachte Haushaltslöcher zu stopfen, will die "Ampel" nun doch beim Bürgergeld kürzen. Das schadet auch den Lohnabhängigen und mittelständischen Betrieben.
"Ampel"-Einigung: Regierung will Haushaltslöcher mit weiteren Kürzungen bei den Ärmsten stopfenQuelle: Legion-media.ru © Christian Spicker

Von Susan Bonath

Nun ist es raus: Die Bundesregierung will die großteils selbst verursachten Haushaltslöcher mit weiterem Sozialabbau stopfen. Dabei ist bei den Ärmsten kaum noch etwas herauszupressen. Trotzdem sollen diese für die Misswirtschaft dieser und ihrer Vorgänger-Regierung büßen. Das geht auch zulasten Normalbeschäftigter und sogar des Mittelstandes. Der Sozialstaat für Reiche bleibt derweil bestehen, und das Kriegsgeschäft floriert.

Mehr für Rüstung, weniger Sozialstaat

Die "Ampel" hat sich darauf geeinigt, zusätzlich zu drastischen Mittelkürzungen bei sozialen Trägern weitere 1,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld einzusparen. Das ist nicht einmal ein Fünftel der für nächstes Jahr bereits vorgesehenen Kriegshilfen für die Ukraine in Höhe von acht Milliarden Euro, die vor allem in die Taschen beauftragter Rüstungskonzerne wie Rheinmetall sprudeln.

Auch der Militärhaushalt hat nicht zu leiden. Er wird weiter aufgebläht, die Ausgaben dafür wurden seit 2015 von gut 38 auf mehr als 71 Milliarden Euro für 2024 nahezu verdoppelt.

Weniger Weiterbildung, härtere Sanktionen

Im Kleinklein hält sich die "Ampel" noch vage, auf jeden Fall geht es um Peanuts. Angedacht ist demnach beispielsweise, einen winzigen "Bonus" für jene Bürgergeld-Bezieher zu streichen, die sich für einen künftigen Arbeitsplatz mehr als acht Wochen lang weiterbilden. Seit Mitte dieses Jahres bekamen Menschen, die solche Maßnahmen wahrnahmen, nämlich 75 Euro pro Monat zusätzlich zu ihrem Regelsatz. Dieses Mini-Plus war eigentlich für dadurch entstehende Mehrausgaben gedacht, die der Regelsatz nicht deckt.

Außerdem will die Bundesregierung – wohl vor allem auf Druck des Koalitionspartners FDP – die Sanktionen gegen Menschen, die aus verschiedenen Gründen ein Arbeits- oder Maßnahmenangebot ablehnen, wieder verschärfen. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Aber das zusätzliche "Sparpotential" zulasten der Ärmsten ist insgesamt sehr gering.

Schon jetzt dürfen Jobcenter "ungehorsamen" Klienten für drei Monate den Regelsatz kürzen: Zehn Prozent Abzug gibt es bei einem verpassten Termin, 30 Prozent bei abgelehnten Zuweisungen von Maßnahmen oder Jobs. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2019 verstoßen höhere Sanktionen, wie in den 15 Jahren zuvor rege praktiziert, gegen die Menschenwürde. Denn es gehe um das Existenzminimum.

"Sozialkürzer" auf einer Linie mit Union und AfD

Die Kürzungswilligen der "Ampel" liegen damit auf einer Linie mit der CDU sowie der AfD. Die Regierenden könnten dafür ein Hintertürchen nutzen, das das BVerfG vor vier Jahren offenließ: Das Existenzminimum müsse der Gesetzgeber demnach nur dann gewähren, "wenn Menschen ihre Existenz vorrangig nicht selbst sichern können".

Wer wie arbeitsfähig ist, sollen weiterhin die Jobcenter trotz fehlender Fachexpertise im eigenen Ermessen entscheiden. Vor 2019 waren monatlich bis zu 12.000 vor allem Unter-25-Jährige vom kompletten Entzug des Regelsatzes betroffen. 2017 stellten hierzu die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestage fest, dass diese Praxis zu enormen Verwerfungen führte, nämlich von Obdachlosigkeit über Zunahme psychischer Erkrankungen bis hin zum Verlust der Krankenversicherung und sogar Hungern.

Ukrainer: Ohne Sprachkenntnisse schneller in Arbeit?

Hinzu kommen weitere vage Formulierungen der "Ampel" in Richtung der vielen ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Bekannt ist, dass etwa zwei Drittel dieser 1,1 Millionen Geflüchteten in Deutschland Bürgergeld beziehen. Das liegt daran, dass die regierenden Politiker ihnen einen Sonderstatus unter allen Asylsuchenden zubilligten. Denn alle anderen erhalten zunächst die noch geringeren Asylbewerberleistungen.

Es heißt nun, die Jobcenter sollen Menschen aus der Ukraine "schneller in Arbeit bringen". Ohne deutsche Sprachkenntnisse dürfte das allerdings schwierig werden. Zumal zugleich die Jobcenter und sozialen Träger weniger Geld für solche Maßnahmen bekommen sollen. Davon sind nicht nur Sprachkurse, sondern auch Sozialverbände wie die Kinder- und Jugendhilfe, Schuldner- und Suchtberatung betroffen.

Weitere Explosion der Energiekosten?

Zu allem Überfluss schraubt die "Ampel" weiter an der Preisspirale für das Grundbedürfnis Energieversorgung. Während sie die Preisbremsen zum Jahresende auslaufen lässt, erhöht sie die sogenannte CO₂-Abgabe weiter. Diese geben Konzerne aber bekanntlich eins zu eins an die Verbraucher weiter. Weiter steigende Strom- und Heizkosten sind also abzusehen.

Das trifft Bürgergeld-Bezieher genauso wie lohnabhängig Beschäftigte. Denn keineswegs übernehmen Jobcenter jede Erhöhung der Heiz- und sonstigen Wohnkosten. Die Obergrenzen dafür sind niedrig, sie entspringen vielerorts noch immer den Berechnungen von 2021. In Niedersachsen müssen laut dem Sozialverband bereits rund 15 Prozent der Betroffenen teils hohe Summen aus dem Regelsatz hinzuzahlen. Die Stromrechnung ist ohnehin schon immer in die Bürgergeldsätze eingepreist, für Alleinstehende derzeit mit rund 40 Euro. Damit kommt man heute kaum noch aus.

Soziale Einschnitte drücken Löhne und Konjunktur

Jede Kürzung der Grundsicherung betrifft nicht nur erwerbslose Bezieher von Bürgergeld. Erstens sind Millionen Bürgergeld-Bezieher gar nicht arbeitslos, wie der Sozialrechtler Harald Thomé vom Erwerbslosenverband Tacheles in einer Presse-E-Mail erläuterte.

Demnach befinden sich unter den rund 5,6 Millionen Betroffenen rund 1,8 Millionen Kinder sowie weitere zwei Millionen Menschen, die aus verschiedenen Gründen die meisten Tätigkeiten nicht ausüben können, in Vollzeit Angehörige pflegen, kleine Kinder betreuen oder bereits Maßnahmen absolvieren. Rund 800.000 weitere davon Betroffene seien sogenannte "Aufstocker". Das bedeute laut Thomé: "Sie verdienen so wenig, dass sie ergänzend Bürgergeld benötigen."

Zweitens trifft jede Kürzung bei der Grundsicherung auch alte oder kranke Menschen, die ihre Rente mit Sozialhilfe aufstocken müssen. Drittens sind diese Leistungen direkt an den steuerlichen Grundfreibetrag gekoppelt. Sind sie niedrig und repressiv, bleibt der steuerliche Freibetrag dies auch. Entsprechend höher ist die Last für Normalverdiener.

Viertens ist eine niedrige und repressive Grundsicherung ein Motor für den Niedriglohnsektor. So macht die Politik Erwerbstätige erpressbarer, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten. Das senkt wiederum die Steuereinnahmen des Staates. Und fünftens drückt mangelhafter sozialer Ausgleich letztlich die Kaufkraft insgesamt immer weiter in den Keller. Vor allem mittelständische Betriebe sind aber auf zahlungskräftige Kunden angewiesen. Bleiben diese aus, besiegelt das den Niedergang des Mittelstandes.

Billionen Euro leistungsloser Vermögen bleiben verschont

Nur an eines traut sich niemand heran: Die wachsenden Vermögen der Superreichen, oft seit Generationen angehäuft, sind streng tabu. Laut Hans-Böckler-Stiftung betragen die 200 höchsten Familienvermögen in Deutschland insgesamt mindestens 1,4 Billionen Euro. Das viele Geld verteilt sich demnach auf gerade einmal 4.300 der reichsten Haushalte in der Bundesrepublik.

Der erst kürzlich veröffentlichten Untersuchung zufolge haben sich die Milliardenvermögen sogar viel rasanter und zwar ganz oben konzentriert als bisher angenommen. Denn bisherige Studien beliefen sich demnach bisher auf vage, eher vorsichtige Schätzungen. Der Grund: Seit Aussetzung der Vermögenssteuer 1997 wird Privatreichtum in Deutschland nicht mehr konkret erfasst. Zudem hat die deutsche Regierungspolitik Ertrags- und Reichensteuersätze seit Mitte der 1990er Jahre immer weiter abgesenkt.

Mit "fleißigem Unternehmertum", wie es neoliberale Propagandisten gern verkünden, sei dieser Exklusivreichtum dabei äußerst selten verbunden, führen die Autoren weiter aus. Oft beruhten die Vermögen aus früheren Verkäufen großer Unternehmen. Der Reichtum sei fast immer ererbt. Einige Milliardärs-Familien säßen lediglich in Konzerngremien oder hielten stille Teilhaberschaften. Fleißige Arbeit, wie sie von den Armen stets verlangt wird, ist demnach äußerst selten der Quell des Superreichtums.

Sozialabbau ohne Ende: CDU plant vor für Politikwechsel

Doch Geld ist Macht, da traut sich die Politik nicht ran. Sie schröpft lieber weiterhin die "kleinen Leute". Die CDU hat – für den Fall, dass sie den nächsten Bundeskanzler stellt, was wegen des "Ampel"-Frusts in der Bevölkerung wahrscheinlich ist – weitere Sozialeinschnitte schon mal vorgeplant: Rentenkürzungen.

Jetzt ist die "Rente mit 67", die 2007 im Bundestag beschlossen wurde, noch nicht einmal vollständig umgesetzt, da soll es also mit der CDU bald mit dem Eintrittsalter weiter rauf, aber mit den Bezügen runter gehen für die, die schon vorher nicht mehr können. Da hat dann also Pech gehabt, wer als Dachdecker mit 70 nicht mehr die Leiter hochkommt. Um mehr und noch mehr Reichtum geht es immer nur ganz oben – dies aber stets sehr erfolgreich dank grenzenloser politischer Rückendeckung.

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