Deutschland

Ofarim-Prozess nach fünf Verhandlungstagen: Schrödingers Kette und ein twitternder Richter

Der Ofarim-Prozess ist nach dem fünften Verhandlungstag wieder offen, denn ein Gutachter kann sich nicht entscheiden, ob er auf den Videoaufnahmen aus dem Hotel eine Kette um den Hals des Sängers sehen kann oder nicht. Unverhofft rückte derweil das politische Leben des vorsitzenden Richters ins Rampenlicht.
Ofarim-Prozess nach fünf Verhandlungstagen: Schrödingers Kette und ein twitternder RichterQuelle: www.globallookpress.com © Hendrik Schmidt/dpa

Von Anton Gentzen

Der Verleumdungsprozess gegen den Musiker Gil Ofarim vor dem Landgericht Leipzig absolvierte am Donnerstag den inzwischen fünften Verhandlungstag. Über die ersten zwei Verhandlungen hat RT DE berichtet. Während der dritte Verhandlungstag am Dienstag nichts Überraschendes geboten hatte, gab es am Mittwoch gleich zwei Entwicklungen, die einen Bericht wert sind.

Überraschend verkündete der vorsitzende Richter Andreas Stadler am Mittwoch, dem Gericht sei ein Brief eines der Ofarim-Verteidiger zugegangen, den die Richter als Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden werten. Offenbar hatte der Verteidiger in Erfahrung gebracht, dass Richter Stadler politisch aktiv ist, nämlich im Präsidium des Deutschen Richterbundes, und dabei bereits an einer öffentlichen Debatte mit dem bekannten Politiker Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen teilgenommen hat. Zwar bleibt unklar, was daran die Besorgnis der Befangenheit begründet – in einem Prozess, der sich um tatsächlichen oder vermeintlichen Antisemitismus dreht –, doch schlafende journalistische Hunde hat dieser Verteidiger von Ofarim damit gewiss geweckt. 

In der Tat zeigt sich, dass Richter Stadler ein aktiver Twitterer ist und sein Twitter-Account durchaus Verstörendes offenbart, wenn auch lange nicht im Sinne einer Befangenheit gegen einen jüdischen Sänger. Stadler konsumiert und retweetet kommentarlos ausschließlich russophobe, NATO-treue, euroimperialistische und militaristische Quellen. Es ist alles dabei: von der NATO selbst über russophobe Falken wie Strack-Zimmermann und Kiesewetter, das ukrainische Militär, NAFO-Trolle bis hin zu einem Putin-Fake-Account, der "Satire" unterhalb der Gürtellinie ablässt. Gerade vom Letztgenannten retweetet der gestandene Jurist oft und gerne, zum Beispiel das Foto eines splitternackten Mannes auf einem Pferd, dem der Kopf des russischen Präsidenten fotomontiert wurde.

Stadler ist offenbar tief in seelische Abgründe getaucht. Verstörend ist vor allem, dass auf seinem Twitter kaum noch etwas anderes außer der Ukraine und dem Wahn, Russland militärisch zerstören zu müssen, vorkommt. Lediglich in den letzten Wochen wurden die Ukraine und Russland durch das Thema Israel und Gaza verdrängt. Diese nehmen nun ihrerseits die ganze Aufmerksamkeit des Hobby-Twitterers Stadler in Anspruch. Woher kommt diese Besessenheit mit Ländern und Ereignissen, die ihn persönlich nichts angehen und von denen er nicht mehr zu verstehen scheint als das, was er aus der Mainstream-Propaganda aufgeschnappt hat?

Ein Russe, der sich und sein Land nicht hasst, sollte sich vor diesem Richter besser hüten, ebenso ein Palästinenser … aber Ofarim? Die neuesten ReTweets deuten eher darauf hin, dass Richter Stadler fest zu Israel hält und die Vernichtung der Hamas um jeden noch so hohen Preis an Leben von Zivilisten unterstützt.

Der X-Account (so heißt Twitter ja seit Kurzem) ist zwar nicht verifiziert, doch passen ältere Tweets zu den Lebensumständen, dem beruflichen Werdegang und den öffentlich bekannten Aktivitäten des Richters Andreas Stadler aus Sachsen. Eine Quelle aus seinem Umfeld, die nicht genannt werden will, hat die Authentizität dieses Accounts bestätigt, so dass nur geringe Restzweifel bestehen, dass er tatsächlich von Stadler selbst geführt wird.

Wie nun das Gericht mit dem Befangenheitsantrag umgehen wird, soll nächste Woche entschieden werden, der Prozess geht vorerst wie geplant weiter.

Und so kam zur Sache am Mittwoch und Donnerstag auch der Gutachter zu Wort, der die wichtigste Frage des Prozesses aufklären soll. Die wichtigste Frage lautet, ob auf den Videoaufnahmen aus dem Hotel eine Kette mit Davidstern-Anhänger auf der Kleidung des Sängers zu erkennen ist. Vor allem aber, ob mit den Aufnahmen bewiesen oder widerlegt werden kann, dass Gil Ofarim während des Streits mit dem Hotelmanager des Leipziger Westin-Hotels an einem Oktoberabend vor zwei Jahren sichtbar eine solche Kette samt Anhänger getragen hat. 

Um eine klare und eindeutige Antwort auf diese Frage hat sich der aufgerufene Gutachter, der die Videoaufnahmen akribisch ausgewertet und unter die Lupe genommen haben will, bislang herumgedrückt. Eindeutig erkennbar sei eine Kette mit Davidstern-Anhänger zwar nicht, jedoch meine er, hier und da Pixel zu erkennen, die das kurzzeitige Aufleuchten einer Kette am Hals von Gil Ofarim sein könnten. 

Am Donnerstag wird es dann sogar unverhofft komisch. Als ein Verteidiger ihn fragt, ob ein gewisses Pixel nicht durchaus der Davidstern sein könnte, antwortet der Gutachter: 

"Es kann der Stern sein oder, was ich nicht annehme, das Brusthaar von Herrn Ofarim, wenn er es nicht gekämmt hat."

Der Gutachter empfiehlt nun ein Nachstellen der Ereignisse in der Hotellobby mit einer unabhängigen Person und mehreren Vergleichsketten unterschiedlicher Größe. Ziel sei es zu prüfen, ob der Anhänger überhaupt in den Videoaufnahmen abgebildet werden kann. Ob sich das Gericht auf das "Tatort-Experiment" einlassen wird, werden die nächsten Verhandlungstage zeigen.

Mehr zum Thema - "Da stimmt nichts von, unglaublich!" – Zeugen widersprechen Ofarims Antisemitismus-Vorwurf

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.