Meinung

Armenien, Türkei – Eine südkaukasische Falle für Russland

Die westlichen Strategen haben es mithilfe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und ihrer Marionette in Jerewan geschafft, Russland im Südkaukasus eine Falle zu stellen. Moskau hat keine guten Optionen: Entweder riskiert es einen zweiten Krieg parallel zu dem in der Ukraine, oder es verliert sein Renommee als Sicherheitsgarant.
Armenien, Türkei – Eine südkaukasische Falle für RusslandQuelle: Sputnik © Asatur Yesayants

Von Tatjana Montjan

Armenien driftet unter dem Rasseln aserbaidschanischer Waffen weiter "weg von Moskau". Per Dekret des armenischen Präsidenten Wahagn Chatschaturjan wurde nun der Vertreter des Landes beim Verteidigungsbündnis OVKS, Wiktor Biagow, abberufen und wird fortan Armeniens Botschafter in den Niederlanden sein.

Man könnte sich mit dem Gedanken trösten, dass es sich dabei um eine rein technische Entscheidung handelt. Aber die letzten Äußerungen des armenischen Ministerpräsidenten Paschinjan lassen wenig Raum für diese Hoffnung. Erst am Sonntag sagte der Politiker in einem Interview mit La Repubblica, die langjährige Abhängigkeit Armeniens von Russland in Sicherheitsfragen sei ein Fehler gewesen und dass es für Russland an der Zeit sei, sich ganz aus dem Südkaukasus zurückzuziehen. Paschinjan wörtlich:

"Eines Tages werden wir einfach aufwachen und feststellen, dass Russland nicht mehr da ist."

Wen sieht Paschinjan anstelle von Russland als Ordnungsmacht im Südkaukasus? Die Antwort ist offensichtlich: die Türkei. Vielleicht würde er lieber Frankreich in dieser Funktion sehen, aber Frankreich ist weit weg und wohl auch das einzige Land, das diese Art von Hämorrhoiden nicht braucht. Also wird es die Türkei sein, denn sie ist auch Mitglied der NATO, für die Paschinjan eine Schwäche hat. Außerdem sind die Türken die entschlossensten und kampfbereitesten nach den USA. Mit letzteren wird Armenien übrigens nächste Woche gemeinsame Militärübungen abhalten.

Zeitgleich mit Paschijans Äußerungen führt Aserbaidschan verdächtige Manöver an der Grenze zu Bergkarabach durch. Das armenische Verteidigungsministerium beschuldigte Aserbaidschan, seine Stellungen in der Region Gegharkunik zu beschießen, während Aserbaidschan behauptete, die armenische Armee habe seine Stellungen in der Region Kelbajar mit Artilleriefeuer angegriffen. Es sei daran erinnert, dass der zweite Karabach-Krieg mit einem vergleichbaren Austausch gegenseitiger Anschuldigungen begann. Und schon werden massive Bewegungen von aserbaidschanischem Militärgerät, darunter Panzer mit einem auffällig aufgemalten Buchstaben Ɐ, nahe der Grenzen von Karabach gemeldet ... 

Es mag seltsam erscheinen, warum Armenien unter diesen Umständen solch trotzige und aus praktischer Sicht gar nicht notwendige antirussischen Gesten riskiert. Aber in Wirklichkeit ist alles gut durchdacht. Formal hat Armenien nichts mit Bergkarabach zu tun und ist nur moralisch dafür verantwortlich. Außerdem hat sich Armenien bereits im Wesentlichen von Karabach distanziert: Paschinjan erklärte im Mai, er sei bereit, die umstrittene Region als Teil Aserbaidschans anzuerkennen. Russland betrifft es hingegen auch formaljuristisch, denn Moskau hatte sich vor knapp drei Jahren verpflichtet, die Sicherheit Karabachs und insbesondere des Latschin-Korridors zu gewährleisten.

Die aserisch-armenischen Manöver bringen Russland also in eine sehr unangenehme Lage, in der es zwei Handlungsoptionen hat – eine schlimmer als die andere. Die erste Option ist, sich für das von Jerewan bereits abgeschriebene Karabach militärisch zu engagieren. Das wäre ein wenig seltsam: Wenn die "armenischen Armenier" bereit sind, ihre Blutsbrüder in Karabach den Türken auszuliefern, dann scheint es angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine für Russland nicht gerade weise zu sein, sich an den Rand eines weiteren Krieges, mit Aserbaidschan und der Türkei zu begeben. Doch die zweite Option ist nicht viel besser: Wenn Russland Aserbaidschan erlaubt, sich die Überreste von Bergkarabach gewaltsam zu unterwerfen, wird es noch lange beschuldigt werden, seine Verpflichtungen zur Friedenssicherung verletzt zu haben. 

Was soll man sagen, all das ist geschickt eingefädelt: "Freund" Paschinjan, der vor vier Monaten noch der Siegesparade in Moskau beigewohnt hatte, und "Freund" Erdoğan haben Russland gemeinsam mühelos in eine klassische Falle getrieben, aus der es nun entkommen muss. Wir dürfen gespannt sein, wie das russische Außenministerium den von diesen "Freunden" geknüpften Knoten entwirren will. Es muss ihn entwirren, denn anderenfalls folgt auf die strategische Niederlage Russlands im Südkaukasus mit Sicherheit der Nordkaukasus. Es denkt doch hoffentlich niemand, dass die "angesehenen westlichen Partner" ihre Destabilisierungspläne in dieser Region vergessen und aufgegeben haben. Oder? 

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