Meinung

Geografische Kissenschlacht: Selenskij will Russland umbenennen, Medwedew kontert

Der ukrainische Präsident will Russland in "Moskowien" umbenennen lassen und hat nun der Regierung einen offiziellen Prüfauftrag dazu erteilt. Was ist das sonst, wenn nicht ein Symptom eines postimperialen Komplexes gepaart mit einem tief verwurzelten Minderwertigkeitskomplex?
Geografische Kissenschlacht: Selenskij will Russland umbenennen, Medwedew kontertQuelle: Gettyimages.ru © Daniele Schneider

Von Anton Gentzen

Etwas von Kindergarten hat es schon, und würden sich nicht parallel dazu zwei eng verwandte Völker in ganz realen blutigen Schlachten gegenseitig vernichten, könnte man sogar darüber lachen. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij will nun mehrfachen Ankündigungen Taten folgen lassen und Russland offiziell in "Moskowien" umbenennen. Er habe der Regierung einen entsprechenden Auftrag erteilt, sagte der Ex-Komiker am Freitag in Kiew. Selenskij berief sich dabei auf eine Online-Petition, die von über 25.000 Personen unterstützt worden sei und deshalb "umfassend behandelt" werden müsse.

Die Frage müsse "sowohl im Hinblick auf den historischen und kulturellen Kontext als auch unter dem Gesichtspunkt möglicher völkerrechtlicher Konsequenzen sorgfältig untersucht werden", wobei auch wissenschaftliche Einrichtungen in den Prozess einbezogen werden sollten, fügte der ukrainische Präsident hinzu.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa bezeichnete die neueste ukrainische Initiative als einen "weiteren Beweis für den Versuch, aus der Ukraine ein 'Anti-Russland' zu machen".

Auch der populäre russische Telegram-Blogger und ehemalige Präsident Russlands Dmitri Medwedew meldete sich umgehend mit einem Kommentar in der ihm eigenen bissigen Art. Er machte einen eigenen Vorschlag, wie Russland im Gegenzug die Ukraine umbenennen könnte. Auf seinem Telegram-Kanal schrieb Medwedew, im Nebenberuf immerhin stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates Russlands:

"Der oberste Kiewer Nazi hat den Auftrag erteilt, die Frage der Umbenennung Russlands in Moskowien auszuarbeiten.

Was soll ich sagen ... Unsere Antwort? Nein, sicher nicht Hochlandien. Und schon gar nicht Kleinrussland. Nur 'Schweinisch Bandera-Reich'. Exakt!"

Die Worte "Schweinisch Bandera-Reich" und "Exakt" schrieb Medwedew dabei in lateinischer Schrift und damit in einem verzerrten Deutsch. 

"Moskowien" existierte nie als offizielle Bezeichnung. Nachdem das alte Russische Reich im 12. Jahrhundert endgültig in mehrere Fürstentümer zerfallen war (etwas, das auch Deutschland in seiner Geschichte bestens kennt), gehörte das kurz zuvor vom Kiewer Großfürsten Juri Dolgoruki ("Langhänder") gegründete Moskau zunächst zum Fürstentum Wladimir-Susdal, zu dessen Hauptstadt es letztlich aufstieg. Mit der Zeit wandelte sich die Bezeichnung entsprechend zu "Welikoje Knjaschestwo Moskowskoje" – "Moskauer Großfürstentum" oder "Großfürstentum Moskau".

Da Moskau auch der neue Sitz des Kiewer Metropoliten (und späteren Patriarchen von ganz Russland) war, fokussierten sich die nationalen Einigungsbemühungen auf diese schnell wachsende Stadt und die in ihr residierenden Großfürsten aus dem Rjurikiden-Geschlecht, die zudem viel diplomatisches und militärisches Geschick bewiesen. Stets betrachteten die Großfürsten, die kirchlichen Oberhäupter, das Beamtentum und auch das einfache Volk sich und das wachsende Großfürstentum als Teil Russlands und seine Wiedervereinigung als ihre historische Mission. Vergleichbar ist dies damit, dass Preußen nicht nur Preußen, sondern eben auch ein deutsches Königreich und das 1871 wiedervereinigte Deutsche Reich eben Deutschland und nicht ein um bayerische, württembergische und sonstige Kolonien erweitertes Preußen war. Wer anderer Meinung ist, kann Deutschland ab sofort gerne "Berlinien" nennen.

Als Ende des 15. Jahrhunderts ein beträchtlicher Teil Russlands unter Moskaus Federführung wiedervereinigt war, wurde Zar Iwan III. im Jahr 1485 zum "Herrscher von ganz Russland" ernannt und auch das von ihm beherrschte Gebiet offiziell und in allen diplomatischen Dokumenten als "Russisches Reich" bezeichnet.

Und Moskowien? War zeitlebens wie "Moskowit" bestenfalls ein Auswuchs europäischer Arroganz, eher sogar ein vor Hass triefender russophober Hetzbegriff. Dass die Ukraine ihn wiederholt auf offizieller und halboffizieller Ebene ins Spiel bringt, zeigt, dass dort (und nicht in Russland) die schlimmeren postimperialen Traumata und tief verwurzelte Minderwertigkeitskomplexe residieren. Russland ohne die Ukraine ist eben wie ein Mensch, dem man eine Hand abgehackt hat. Die Ukraine ist ebenjene abgehackte Hand.

Wer von beiden hat mehr verloren?

Mehr zum Thema - Das tragische Schicksal des russischen Volkes. Teil 1; Teil 2

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.