Meinung

Sanktionen – Wirkungen, Auswirkungen, Rückwirkungen

Wegen des Einmarsches in die Ukraine verhängt der Westen massive Sanktionen gegen Russland. Für sein Sanktionsregime wirbt er um weltweite Unterstützung. Die Antwort darauf ist bisher negativ, denn die Rückwirkungen der Sanktionen sind umfassend. Der Westen wirkt isoliert.
Sanktionen – Wirkungen, Auswirkungen, RückwirkungenQuelle: www.globallookpress.com © Dwi Anoraganingrum via www.imago-images.de

von Gert Ewen Ungar

Als Antwort auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine liefert der Westen einerseits Waffen an die ukrainischen Streitkräfte, verhängt andererseits beispiellose Sanktionen gegen Russland.

Mit den Waffenlieferungen bleibt er unterhalb der Schwelle der aktiven Beteiligung – zumindest in der eigenen Wahrnehmung. Ob diese geteilt wird, ist fraglich. Aber sie erzeugen davon unabhängig natürlich ein Paradox, denn die von den russischen Kräften erbeuteten Waffen werden an die Verteidigungskräfte des Donbass übergeben und dort benutzt. So richten sich jetzt deutsche Panzerfäuste gegen ukrainische Panzer.

Ob diese Kehrseite der westlichen Unterstützung mitbedacht wurde, ist fraglich. Dass ein Teil dieser unkontrolliert abgegebenen Waffen auf dem Schwarzmarkt landen und dann zur Austragung von Bandenkonflikten in europäischen Großstädten genutzt wird, ist wahrscheinlich. Die Sicherheit in Europa hat sich dadurch jedenfalls nicht erhöht. Auch bei den Sanktionen stellt sich die Frage, ob sie wirklich in ihrer Konsequenz und in all ihren Folgen durchdacht sind. Es hat nicht den Anschein.

Die deutsche Außenministerin machte bereits zwei Tage nach Beginn der kriegerischen Handlung deutlich, dass das Ziel der Sanktionen sei, Russland zu ruinieren. Die Wortwahl ist drastisch. Russland soll nicht gezwungen werden, die Kampfhandlungen einzustellen, nicht dazu gebracht werden, sich zurückzuziehen, Russland soll durch die Sanktionen nicht zu Verhandlungen genötigt werden. Nein, Russland soll wirtschaftlich vernichtet werden.

Dass die deutsche Chefdiplomatin Russland einen Vernichtungskrieg androht, blieb in Russland nicht ungehört und wird dort entsprechend eingeordnet. Untermalt und begleitet wird die Berichterstattung darüber mit Schilderungen von Übergriffen auf Russen sowie russische Einrichtungen in Deutschland. In Russland stellt man die Frage nach manifestem faschistischen Gedankengut in der deutschen Gesellschaft bis hinein in die politischen Eliten.

Man muss sich den Schlussfolgerungen russischer Medien nicht anschließen, aber man sollte die Sorgen und Ängste in Russland in Bezug auf Deutschland und die Deutschen zur Kenntnis nehmen. Russland hat ausgesprochen schlechte Erfahrungen mit uns gemacht. Die Sprache Baerbocks weckt schlimmste Erinnerungen und Befürchtungen. Ihre Wortwahl ist nicht zu entschuldigen.

Diese Kenntnisnahme russischer Befindlichkeit wird allerdings immer weiter erschwert, denn die Sanktionen der EU richten sich auch gegen russische Medien. Offenkundig weniger wegen der dort verbreiteten Falschmeldungen, sondern damit das eigene Narrativ möglichst wenig hinterfragt wird. Die heldenkultartige Verklärung des ukrainischen Präsidenten Selenskij im Westen beispielsweise kann jedenfalls nur mit großen Auslassungen und Verharmlosungen der Entwicklungen in der Ukraine gelingen. Selenskij verbietet Oppositionsparteien und Fernsehsender, bricht die Minsker Vereinbarungen, führt eine strenge Zensur und diskriminierende Sprachgesetze ein. Er ist gewählt worden, weil er Frieden und die Einigung der Ukraine versprochen hat. Seinen kriegstreibenden Vorgänger Poroschenko hat er allerdings inzwischen ganz weit rechts überholt. Diese Wandlung vom Paulus zurück zum Saulus lässt Rückschlüsse auf die politischen Strukturen zu, in denen Selenskij agiert. Sie lassen Frieden nicht zu. Dies alles soll in Deutschland nicht erzählt werden, denn dann ließe sich das einfache Paradigma von Gut und Böse nicht aufrecht erhalten. Die mediale Heimatfront würde erodieren. Inzwischen sind selbst russischsprachige Nachrichtenkanäle wie Rossija 24 nur noch über VPN erreichbar. Dabei wäre gerade jetzt ein Einblick in die unterschiedlichen Sichtweisen notwendiger denn je. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass man sich nicht unbedingt jeder russischen Perspektive anschließen muss. Aber die hier verbreitete Ansicht, die Ukraine sei das unschuldige Opfer einer brutalen und irrationalen russischen Aggression, ist eben auch falsch. Sie beleuchtet die Geschichte der Eskalation nicht, an der die Ukraine ebenso wie die EU und Deutschland zentralen Anteil haben.

Also, wirtschaftlicher Vernichtungskrieg gegen Russland steht auf der deutschen Agenda und auf jener der EU. Neben all der ethischen Fragwürdigkeit stellt sich die Frage, ob das Ziel überhaupt realistisch ist. Russland ist rohstoffreich, die EU ist das nicht, Deutschland noch viel weniger. Russland ist wichtiger Rohstofflieferant nicht nur im Hinblick auf Öl und Gas. Russland ist obendrein wichtiger Produzent von industriellen Vorprodukten wie beispielsweise Stahl und Aluminium. Natürlich haben die Sanktionen reziproke Auswirkungen auch in Deutschland und der EU. Eine scharfe Rezession ist wahrscheinlich. Ein scharfer wirtschaftlicher Einbruch ist zu erwarten, und das, nachdem der Einbruch durch die Corona-Maßnahmen noch nicht wieder aufgeholt werden konnte. Es bedarf keiner großen seherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen: Der Standard wird hier sinken. Sicher, er wird auch in Russland sinken. Aber im Gegensatz zu den westlichen Regierungen unternimmt die russische Regierung gerade alles, um die Auswirkungen der Sanktionen für die Bevölkerung abzumildern. Kürzlich erlassene Regierungsprogramme unterstützen Familien ebenso wie kleinere und mittlere Betriebe und sozial Schwache. Die Deutschen werden von ihrer Regierung mit den Auswirkungen bisher allein gelassen. In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass Russland auf die Sanktionen noch gar nicht geantwortet hat. Das bedeutet nicht, dass das nicht kommt. Die Beratungen dazu laufen.

Doch die vom Westen verhängten Sanktionen haben natürlich nicht nur in Russland und bei uns negative Auswirkungen. Dass Russland der größte Weizenexporteur der Welt ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Russland ist neben Weißrussland wichtiger Produzent von Düngemitteln. Sowohl das eine wie auch das andere Land unterliegen westlichen Exportrestriktionen.

Das bedeutet ganz konkret, der Westen löst mit seinem Sanktionsregime absehbar eine weltweite Nahrungsmittelknappheit aus, glaubt aber gleichzeitig, dass sich die Welt solidarisch hinter ihn stellen und die Sanktionen mittragen wird. Wie das zusammengehen soll, bleibt unklar. Es ist illusorisch.

Uneingeschränkt mitgetragen wird das Sanktionsregime im Wesentlichen von der EU, Nordamerika und Australien. Weder Lateinamerika noch Asien oder Afrika stehen hinter den Sanktionen. Indien und Russland suchen nach Möglichkeiten, ihre Transaktionen künftig in lokaler Währung unter Umgehung des Dollar abwickeln zu können. Saudi-Arabien akzeptiert ab jetzt auch den chinesischen Yuan zur Bezahlung. Die Entdollarisierung schreitet voran. Beschleunigt hat sich dieser Vorgang sicherlich auch durch das Einfrieren von russischen Währungsreserven durch die EU und die USA. Dollar und Euro können nicht als sichere Zahlungsmittel im internationalen Handel gelten, denn sie unterliegen offenkundig der politischen Einflussnahme.

So ergibt sich in der Gesamtschau ein grundlegend anderes Bild, als es in deutschen Medien verbreitet wird. Nicht Russland, der Westen ist isoliert. Es deutet sich ausgelöst von der Ukraine-Krise ein geopolitisches Erbeben der plötzlichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse an. Die Welt befreit sich von der monopolaren Ordnung und der alleinigen Hegemonie des Westens. Dieser Ablösungsprozess der einzigen Weltmacht, der sich bisher überwiegend in diplomatischen Spannungen gezeigt hat, hat eine neue Stufe des Handelns erreicht. Der Zerfall hat sich beschleunigt. Es deutet sich an, dass wir auch dieses Mal den Krieg verlieren werden.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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