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Frankreich will Ex-Kolonien nicht verlassen: Militärbasen nun als Schulen ausgegeben

Emmanuel Macron will die Präsenz französischer Truppen in den ehemaligen Kolonien zu kulturellen und wirtschaftlichen Projekte umgestalten. Die Afrikaner indes hofften, dass Frankreich nach Hause gehen und sich erst mal einer Gewissensprüfung unterziehen würde, bevor es eine Rückkehr auf den Kontinent versucht.
Frankreich will Ex-Kolonien nicht verlassen: Militärbasen nun als Schulen ausgegebenQuelle: AP © Jerome Delay

Von Rachel Marsden

Nachdem Frankreich von einigen seiner ehemaligen Kolonien in Afrika zugunsten neuer Partner wie Russland und China fallen gelassen wurde, hat der französische Präsident Emmanuel Macron einen neuen Plan angekündigt, der offensichtlich darauf abzielt, eine Begründung dafür zu haben, weiterhin in Afrika präsent zu bleiben und vielleicht doch noch die Herzen der Menschen dort zu gewinnen.

Aber wie genau will Macron das bewerkstelligen? Sicherlich nicht, indem man die "Menschen für Schwachköpfe hält", so wie er das am 28. Februar ausdrückte, als er seine neue Afrika-Strategie erklärte. "Wir werden kein Gemeinwohl betreiben", stellte Macron klar und betonte, dass Frankreich eindeutige Interessen habe und niemandem etwas vortäuschen werde. Nach einer solchen Bemerkung könnte man geneigt sein anzunehmen, dass alles andere, was er ankündigte, genauso ehrlich sein wird.

Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr kündigte Macron nur eine andere Manipulationstaktik an. Washingtons Modell, rohstoffreiche Länder mit militärischer Schockwirkung zu traktieren, in der Hoffnung, dass dies letztlich in Geschäftsabschlüssen mündet, greift offenbar nicht mehr. Schlimmer noch, der Westen fürchtet jetzt an der Sicherheits- und Wirtschaftsfront von Russland und China überholt zu werden. Und trotz aller herablassenden Versuche, afrikanische Länder davor zu warnen, mit Moskau und Peking Geschäfte zu machen – wie zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz geschehen – stellte sich heraus, dass es ebenfalls nicht funktioniert, afrikanische Staaten so zu behandeln, als wüssten sie nicht selbst, was in ihrem eigenen, besten Interesse ist.

Nachdem Mali Frankreichs jahrelange "Anti-Terror-Mission" abgebrochen hatte, was zu einem Abzug der französischen Streitkräfte aus der Region führte, blieb die Frage, wie Paris es rechtfertigen wolle, trotzdem in der Gegend zu verbleiben. Im Jahr 2021 gab es über 19.000 Tötungen im Zusammenhang mit islamistischer Gewalt, mehr als im Jahr 2015, als Boko Haram in der Sahelzone am aktivsten war – in jener Region also, die Frankreich angeblich stabilisieren wollte. Während dieser ganzen Zeit war Paris nicht in der Lage, seine Präsenz in der Region in jene Art von Wirtschaftsabkommen zu übersetzen, die es sowohl für sich selbst als auch für das an Ressourcen arme Europa wollte.

Macron kam in seiner Rede schnell auf den Punkt, indem er den CFA-Franc als Währung der Westafrikanischen Staaten erwähnte und als eine Art Grundstein für die französisch-afrikanische Zusammenarbeit bezeichnete, die er einführen will. Diese umstrittene Währung, die in 14 afrikanischen Ländern verwendet und in Frankreich gedruckt wird, ist an den Euro gekoppelt. Einige sehen in ihr ein Symbol für Kolonialismus und mangelnde Souveränität, während andere die Währung im Allgemeinen als Quelle der Stabilität betrachten, durch die Investitionen angezogen werden. Bereits im Jahr 2019 nannte die italienische Premierministerin Georgia Meloni – als sie noch in der Opposition war – diese Währung eine "Kolonialwährung", auf die Frankreich ein "Münzprägegewinn beansprucht und mit der es die Ressourcen dieser afrikanischen Nationen ausbeutet". Und ausgerechnet darauf möchte Macron nun aufbauen.

Also lancierte der französische Präsident eine neue Idee, mittels der die Afrikaner die militärische Präsenz Frankreichs auf dem Kontinent vergessen sollen. Die militärischen Stützpunkte Frankreichs in Afrika sollen jetzt gemeinsam mit Afrikanern betrieben und einige davon in "Akademien" umfunktioniert werden, verkündete Macron. Anscheinend ist es in der heutigen Welt völlig in Ordnung, wenn sich eine Armeebasis als Schule ausgeben will. Der Versuch, das Image Frankreichs in Afrika aufzupeppen, nachdem man weitgehend tatenlos der Ausbreitung des Dschihadismus zugesehen hat, sieht sehr nach den Bemühungen der Biden-Regierung aus, die ebenfalls auf Afrika abzielen.

"Jill Bidens Besuch in Namibia war ein großer Erfolg, mit Dutzenden von aufgeregten Kindern, die sich um sie drängten, während sie schachtelweise M&Ms aus dem Weißen Haus verteilte, nachdem sie eine Organisation besucht hatte, die von den USA Unterstützung für Programme erhält, die junge Erwachsene über HIV/AIDS und geschlechtsspezifische Gewalt aufklären", berichtete die Associated Press am 23. Februar.

Macron warb auch für neue, von Frankreich geleitete Kooperationsinitiativen für Afrika in den Bereichen Kultur, Sport, Gesundheit, digitale Technologie und Bildung. Alles Initiativen, die von einem europäischen Team unterstützt würden, betonte Macron – als ob es je Zweifel daran gegeben hätte, dass die Europäischen Union Frankreich dafür benutzt, um die Tür zum Himmel der afrikanischen Ressourcen aufzustoßen. Macron erwähnte auch wiederholt Partnerschaften mit der afrikanischen Zivilgesellschaft, was übersetzt so viel heißt wie: französisches Geld für NGO-Influencer. So was wird allgemein als "Sponsoring" bezeichnet und das ethische Protokoll sieht vor, dass diese Finanzierungsbeziehung offengelegt wird. Aber wie stehen die Chancen, dass die von Frankreich unterstützten afrikanischen NGOs das Gleiche machen werden, wenn sie versuchen, ihre Mitbürger zu beeinflussen?

Macron sprach über das französische Netzwerk der afrikanischen Diaspora, die in der Lage wäre, die Türen für eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit in ihren Herkunftsländern zu öffnen. Es klang, als würde er planen, einfach einzutrudeln und Geld über afrikanische Unternehmen regnen zu lassen. Aber wie viel davon wird in Wirklichkeit den französischen Unternehmen und ihren Aktionären zugutekommen? Man könnte meinen, dass Macron die "sanfte Macht" entdeckt hat: Dass man mit Fußball, französischer Kunst, philosophischen Debatten und französischem Rap, schnelleren Zugang zu den Reichtümern des Kontinents bekommen kann, als darüber, dass man vortäuscht, etwas Nützliches mit Waffen zu tun.

Afrika sollte nicht auf ein Gebiet reduziert werden, wo ein reiner Wettbewerb herrscht, sagte Macron, nachdem Frankreich aus genau diesem Wettbewerb ausgeschieden ist und auf die Heimreise geschickt wurde. "Der Fehler Frankreichs ist, dass es zu gespalten, zu schwer zu verstehen und nicht konkret genug ist", fügte er hinzu.

Wenn die Afrikaner gehofft hatten, dass Frankreich nach Hause gehen und sich erst mal einer Seelenprüfung unterziehen würde, bevor es eine Rückkehr nach Afrika versucht, so könnten sie enttäuscht sein zu erfahren, dass Macron den Grund für Frankreichs Versagen bei der Umsetzung seiner großen Afrika-Vision in der widersprüchlichen Debattenkultur sieht, wie sie in der französischen Demokratie gerade noch erlaubt ist. Aber jetzt, nachdem er seine Misserfolge als Erfolge identifiziert hat, macht er sich bereit für eine zweite Runde.

Aus dem Englischen

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com

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