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Ultimatum an Münchner Chefdirigent Gergijew: Distanzierung von Putin – oder Kündigung

Immer mehr russische Künstler geraten im Westen aufgrund der "russischen Invasion" in die Ukraine unter Druck. Münchens OB Dieter Reiter hat den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Waleri Gergijew, aufgefordert, sich vom "Machthaber Putin" zu distanzieren. Andernfalls werde ihm gekündigt.
Ultimatum an Münchner Chefdirigent Gergijew: Distanzierung von Putin – oder KündigungQuelle: Sputnik © Wladimir Astapkowitsch

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hat den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Waleri Gergijew, aufgefordert, sich von der sogenannten russischen Invasion in die Ukraine zu distanzieren. Das berichtet der Bayerische Rundfunk. Andernfalls drohe dem Chefdirigenten die Kündigung, so der  Oberbürgermeister. Reiter wörtlich:

"Ich habe gegenüber Valery Gergiev meine Haltung klargemacht und ihn aufgefordert, sich ebenfalls eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt."

"Sollte sich Valery Gergiev hier bis Montag nicht klar positioniert haben, kann er nicht länger Chefdirigent unserer Philharmoniker bleiben." 

In einem an Gergijew gerichteten Brief zeigte sich Reiter "fassungslos" über den "barbarischen Akt des russischen Machthabers Putin, der seine nationalistischen Ziele mit aller Brutalität und ohne Rücksicht auf Menschenleben verfolgt". Er erwarte von Gergijew ein klares Signal an die Stadtspitze, die Öffentlichkeit, die Musikerinnen und Musiker der Münchner Philharmoniker und ihr Publikum bis zum Montag, dem 28. Februar.

"Anderenfalls werden wir das Vertragsverhältnis als Chefdirigent beenden müssen."

Der 68 Jahre alte Gergijew ist seit 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, eines städtischen Orchesters. Der aus dem Kaukasus stammende Musiker gilt als einer der bekanntesten Dirigenten der Welt. Neben der Leitung des russischen Prestigetheaters Mariinsky, die er seit Jahrzehnten innehat, dirigiert er auch immer wieder einige der größten und bekanntesten Orchester der Welt. In München steht Gergijew bis zum Jahr 2025 unter Vertrag. Pro Jahr dirigiert er 30 bis 40 Konzerte. 

Wegen seiner Nähe zu Russlands Staatschef Wladimir Putin steht Gergijew im Westen immer wieder in der Kritik. Auch als im März 2014 bekannt wurde, dass Gergijew in einem offenen Brief zusammen mit weiteren russischen Kulturschaffenden die im Westen als Annexion verpönte Eingliederung der Krim in die Russische Föderation unterstützt hatte, kam es zu Protesten.

Bereits im Zusammenhang mit der angeblichen Vergiftung des Kreml-Gegners Alexei Nawalny wurde versucht, Sanktionen und ein Einreiseverbot in die EU gegen Gergijew zu verhängen: Diese hatte Nawalny in einem Bild-Interview im Oktober 2020 bei seinem Aufenthalt in Deutschland gefordert. 

Nun droht dem Star-Dirigenten erneut ein Arbeitsverbot im Westen. Beispielsweise wird er auch nicht wie geplant mit den Wiener Philharmonikern in der New Yorker Carnegie Hall auftreten – "aufgrund der jüngsten Ereignisse in der Welt". Zudem hieß es nach Medienberichten, dass auch die Mailänder Scala Gergijew ein ähnliches Ultimatum wie Reiter in München gestellt hat. 

Wie der BR weiter berichtet, erwartet jetzt auch das Festspielhaus Baden-Baden eine klare Stellungnahme gegen die russische Invasion in der Ukraine. Intendant Benedikt Stampa äußerte sich schockiert über den Kriegsausbruch. Gergijew sei einer der zentralen kulturpolitischen Akteure Russlands. Man werde ihm natürlich Gelegenheit geben, sich zu äußern, so Stampa. Die zwei Konzerte Ende Juli und ein neues Festival "Russischer Winter" im Dezember mit Gergijew bleiben zunächst auf dem Programm.

Der Intendant des mit 2.500 Plätzen größten deutschen Opernhauses betonte die Bedeutung der russischen Kultur. "Es ist uns wichtig, dorthin weiter Brücken zu bauen." Er ist der Meinung, dass in Russland derzeit kaum noch eine freie Meinungsäußerung möglich sei und sich Kritiker in Lebensgefahr brächten. Das nun erzwungene öffentliche Bekenntnis sieht Stampa hingegen als einen Akt der Demokratie.  

"Dennoch werden wir die rote Linie, die derzeit um Waleri Gergijew als politische Person gezogen wird, mit tragen und solidarisch mit allen Demokratinnen und Demokraten im Sinne einer klaren Haltung agieren." 

Der BR weist darauf hin, dass Gergijew in der Vergangenheit versucht hatte, "die Öffentlichkeit von seiner pazifistischen Haltung zu überzeugen". Kurz vor seinem Einstandskonzert in der bayerischen Landeshauptstadt 2015 sagte Gergijew der Süddeutschen Zeitung, er wolle sich für eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen einsetzen. "Wir müssen alles tun, was es braucht, um einen weiteren großen tragischen Konflikt zu vermeiden", sagte er damals. "Groß meint: bis hin zu einem Dritten Weltkrieg, von dem ich hoffe, dass er nie, nie geschieht."

Ukraine-Krieg

In der Nacht zum Donnerstag startete Russland eine Militäroperation gegen das ukrainische Militär und zerschlug bereits in den ersten Stunden dutzende Militäreinrichtungen mit präzisen Raketenschlägen. Die Beweggründe für den russischen Einmarsch ins Nachbarland und die ehemalige Sowjetrepublik Ukraine erläuterte Wladimir Putin in einer am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichten Ansprache. Darin kündigte er den Beginn einer großangelegten Operation der russischen Armee in der Ukraine an, um diese zu "entmilitarisieren und [zu] entnazifizieren".

Die nach einem bewaffneten nationalistischen Putsch in der Ukraine vor acht Jahren entstandenen Sicherheitsrisiken seien so groß geworden, "dass es unmöglich war, auf andere Weise zu reagieren", erklärte Putin im Hinblick auf die militärische Erschließung der Ukraine durch NATO-Staaten und die Pläne der ukrainischen Führung, dem Bündnis beizutreten und Atomwaffen zu entwickeln.

In seiner Rede verwies Putin auch auf den bereits acht Jahre andauernden Krieg in der Ostukraine und die ständigen "ins Leere laufenden Versuche Russlands, die Krise politisch und friedlich zu lösen". 

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.