Lateinamerika

USA entsenden Spezial-Brigade nach Kolumbien – Wut und Empörung in Bevölkerung und Parlament

Die US-Botschaft in Bogotá hat verkündet, dass Anfang Juni die "Brigade der Sicherheitskräfte für militärischen Beistand" (SFAB) inmitten der Corona-Pandemie nach Kolumbien verlegt wird. Die 800 Mann umfassende Einheit soll vor allem im Grenzgebiet zu Venezuela zum Einsatz kommen.
USA entsenden Spezial-Brigade nach Kolumbien – Wut und Empörung in Bevölkerung und ParlamentQuelle: Reuters

von Maria Müller

Am 27. Mai erklärte die US-Botschaft in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá, dass im Juni ein US-Truppenkontingent nach Kolumbien entsandt wird. Es handelt sich um die "Brigade der Sicherheitskräfte für militärischen Beistand (Security Force Assistance Brigade- SFAB). Anfang Juni sollen zunächst 48 Mann in Kolumbien eintreffen. Die restlichen 800 Angehörigen der Spezialeinheit sollen im Laufe des Monats folgen. Inmitten der Corona-Pandemie habe diese Brigade die Aufgabe, die kolumbianische Armee im Einsatz gegen Drogenkartelle zu "beraten".

Bezeichnenderweise erfuhr die Bevölkerung Kolumbiens diese Nachricht nicht von ihrem Präsidenten Iván Duque, sondern zuerst von der US-Vertretung im Land.

Das Südkommando der US-Streitkräfte versicherte, die Rolle der Truppe bestehe darin, verbündete Nationen in Lateinamerika "militärisch zu beraten und ihnen beim Durchführen von Operationen zu helfen".

"Sie werden sich nicht an Kriegshandlungen beteiligen"

Die kolumbianische Regierung beeilte sich klarzustellen, es handle sich nur um eine unterstützende Einsatzgruppe für den Kampf gegen den Kokainhandel in verschiedenen Zonen des Landes. Außerdem gehe es um eine Anti-Drogen-Operation in der Karibik. Über die Dauer der ausländischen Truppenpräsenz äußerte man sich nicht. Präsident Duque versicherte:

Sie werden sich nicht an Kriegshandlungen beteiligen, sie werden nur Beraterfunktionen erfüllen.

Kongressmitglieder kritisieren Verfassungsbruch

Im kolumbianischen Kongress zeigt man sich jedoch empört:

Iván Duque kennt die kolumbianische Verfassung. Er weiß, dass nach Artikel 173 der Senat sowohl den Aufenthalt als auch die Durchreise ausländischer Truppen genehmigen muss. Duque hat den USA diese Erlaubnis erteilt, ohne das Parlament um Erlaubnis zu bitten und damit die Verfassung gebrochen!", lautet die Kritik von Senatoren über fast alle politischen Flügel hinweg.

Abgeordnete und Senatoren der Opposition und der liberalen Partei kritisieren das Vorgehen Duques als eine Verletzung der Souveränität des Landes und der Funktionen des Senats. So erklärte zum Beispiel die Senatorin Aída Avella Kongress:

Nein zum Krieg! Der Aufenthalt von fremden Truppen muss vom Kongress erlaubt werden, das sagt die Verfassung. Wir weisen es zurück, dass das Land für Kriege und Invasionen gegen andere Länder benutzt wird. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass 800 nordamerikanische Soldaten nach Kolumbien kommen.

Die Ankunft der US-Soldaten weckt Befürchtungen, dass entweder der innere Konflikt im Land dadurch verstärkt werde oder dass es gar zu einer regionalen Destabilisierung kommen könne. Man fühlt sich an die Zeit von vor zwanzig Jahren erinnert, an den damals – mit Millionen US-Dollar aus Washington – umgesetzten "Plan Colombia".

Kokain korrumpiert Militärs und Politiker

Damals pumpten die USA 10 Milliarden US-Dollars in einen Krieg gegen die Drogenwelt, der in einer brutalen Unterdrückung und in Massakern an der Zivilbevölkerung endete. Das Kokain korrumpiert manche Militärs und Politiker bis heute. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass die Wahlkampagne des Präsidenten Duque von bedeutenden Bossen aus der Drogen-Unterwelt gesponsert wurde.

Der Senator Iván Cepeda von der Partei Polo Democrático Alternativo warnt:

Wir sehen ein sehr gefährliches Vorgehen, das kann zu einem internationalen bewaffneten Konflikt mit Venezuela eskalieren! 

Seiner Meinung nach erhöht die Ankunft des SFAB-Militärs die Gefahr einer militärischen Konfrontation in der Region.

Verteidigungsminister relativiert die Gefahr

Der kolumbianische Verteidigungsminister Carlos Holmes Trujillo versicherte dann am Freitag, dass es sich um eine Mission mit "beratendem und technischen Charakter" handelte, die aus der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Länder entstehe. 

"Zu keinem Zeitpunkt wird es einen Transit ausländischer Truppen geben, noch werden sie an militärischen Operationen teilnehmen", betonte der Minister. Das wirkt nicht sehr überzeugend angesichts von über 800 angekündigten US-Elitesoldaten, die sich monatelang ohne Billigung von Kongress und Senat des "Gastgeberlandes" in Kolumbien aufhalten werden.

Die ausländischen Truppen würden sich – laut Regierung – auf "fünf besonders kritische Krisendepartments" konzentrieren, die Präsident Duque euphemistisch als "Zukunftszonen" bezeichnet. Dort will er mit kombinierten Strategien aus Justiz, Militär und Polizei, sowie mit sozialen Investitionen intervenieren. In diesen Gebieten sollen sich die größten Kokaanbaugebiete des Landes befinden. Wie der Zufall will, liegt ein Großteil des Gebietes an der 2.200 Kilometer langen Grenzlinie mit Venezuela. 

Im 2016 unterzeichneten Friedensplan waren für diese Landstriche verschiedene Hilfsprogramme zur Sicherung einer rentablen Landwirtschaft ohne Drogenanbau vorgesehen. Doch die Regierungen unter Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos (2010 bis 2018) und Duque setzten diese Pläne nie um. Im Jahr 2019 erreichte stattdessen der Anbau von Coca-Sträuchern einen Rekordwert von 212.000 Hektar, die Kokainproduktion kletterte auf 951 Tonnen.

Juan Carlos Quintero, ein Mitglied des Verwaltungsrats der Bauernvereinigung von Catatumbo, äußert sich kritisch:

Wir denken, dass die Ankündigung inmitten einer Pandemie, bei der fast 100.000 US-amerikanische und kolumbianische Bürger ums Leben kamen, opportunistisch und unangebracht ist. Militärische Maßnahmen haben in der heutigen Situation in der Welt keine Priorität. Sie  bestätigen lediglich die militaristische Denkweise von Präsident Trump und Präsident Duque.

Das besagte Manöver in Kolumbien ist Teil einer Kette von Ereignissen, die viele Analysten und Politiker in Kolumbien zu der Schlussfolgerung führt, dass die USA mit der Truppen-Verlegung an einer Invasion im Nachbarstaat Venezuela arbeiten.

So erklärt etwa Gustavo Petro, Senator und Präsidentschaftskandidat 2018: 

Das Offensichtliche lässt sich nicht verbergen: Eine Invasion in Venezuela ist in Vorbereitung, mit dem Schlimmsten: der Hilfe des Drogenhandels.

Wenn das geschieht, wird es eine katastrophale historische Wunde in unser Lateinamerika schlagen.

Die gescheiterte Invasion von US-Söldnern in Venezuela, die von kolumbianischem Gebiet ausging, ist das jüngste Alarmzeichen dafür, dass eine militärische Aggression gegen Venezuela dezidiert geplant wird. Wie in einem Hollywoodfilm sollte Präsident Nicolás Maduro gekidnappt und per Flugzeug in die Vereinigten Staaten entführt werden.

Trump: Es wird etwas passieren

Noch am 21. Mai erklärte der US-Präsident drohend:    

Wir haben Maduro auf einem Niveau umzingelt, das niemand kennt, aber die Venezolaner wissen es. Es wird etwas passieren, weil wir ihn nicht mehr aushalten.

Die Begründung der Truppenpräsenz an Venezuelas Grenzen und in der Karibik passt ins Bild: es gehe um den Kampf gegen die Drogenwelt. Wie bereits vor mehreren Monaten von Donald Trump verkündet, soll Venezuela neuerdings das Transitland für die Drogenproduktion aus Kolumbien in die USA sein. Dies wird offiziell aus dem Weißen Haus behauptet, obwohl allgemein bekannt ist, dass nach wie vor etwa 80 Prozent des kolumbianischen Kokains über Kolumbiens Atlantik-Küste in die US-Staaten gelangen. Diese Route ist weit schneller und gefahrloser als der Landweg durch Venezuela. Drogenkurierflugzeuge aus Kolumbien werden zudem von der venezolanischen Luftwaffe regelmäßig abgeschossen.

US-Truppen als Verbreiter von COVID-19?

Eine weitere Frage, die sich die kolumbianische Öffentlichkeit in Zeiten der Corona-Krise stellt, ist die,  ob die entsandten US-Truppen virusfrei sind. Ihre Einreise könnte die bereits schwierige Situation in dem südamerikanischen Land potenzieren (26.688 registrierte Fälle, 853 Todesopfer). Angesichts der Infizierten- und Todeszahlen in den USA im Vergleich mit Venezuela stellt sich zudem noch eine ganz andere Frage: Wo herrscht eigentlich der humanitäre Notstand? In den USA oder in Venezuela?

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