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Richter bestellt Sachverständigen: Führt Russland völkerrechtswidrigen Angriffskrieg oder nicht?

In der Revisionsverhandlung gegen die Friedensaktivistin Elena Kolbasnikova gab der Richter am Landgericht Köln ein völkerrechtliches Gutachten in Auftrag. Ein Experte soll darlegen, ob das russische Militär völkerrechtswidrig in die Ukraine marschiert ist.
Richter bestellt Sachverständigen: Führt Russland völkerrechtswidrigen Angriffskrieg oder nicht?© Felicitas Rabe

Von Felicitas Rabe

Am Mittwoch fand vor dem Landgericht Köln die Revisionsverhandlung gegen die prorussische Friedensaktivistin Elena Kolbasnikova statt. Kolbasnikova war am 6. Juni 2023 wegen angeblicher Billigung eines russischen Angriffskriegs vom Kölner Amtsgericht in erster Instanz zu einer Strafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro oder 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Am 8. Mai 2022 hatte die in der Ukraine geborene Kölnerin bei einer prorussischen Autokorso-Demonstration anlässlich des Tages des Sieges über den Faschismus gegenüber der Bild in einem Interview geäußert: "Russland ist kein Aggressor. Russland hilft, den Krieg in der Ukraine zu beenden."

Zur Urteilsbegründung erklärte die damalige Richterin Dr. Denise Fuchs-Kaninski ausführlich, warum die Angeklagte nach Auffassung des Gerichts mit ihrer Aussage einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unterstützt habe und damit nach § 140 Strafgesetzbuch wegen "Belohnung und Billigung von Straftaten" als schuldig zu befinden sei.

Nach ihrer Auffassung verletzt "Putin" bei seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Souveränität der Ukraine und verfolgt damit das Ziel, ukrainische Regionen zu annektieren. Der russische Angriff würde mit unterschiedlichen konventionellen Waffengattungen und schwerer Artillerie sowie mittels der Marine, mit Bodentruppen und aus der Luft geführt, führte die Richterin im Juni 2023 aus. Nachdem Kolbasnikova und ihr Strafverteidiger Markus Beisicht gegen das Urteil Revision eingelegt hatten, wurde die Anklage gegen sie am Mittwoch neu verhandelt. Rund 20 Zuschauer und einige Journalisten wohnten der Verhandlung bei. Das Gericht ordnete an, dass während der Verhandlung im Gerichtssaal keine Notizen und Mitschriften von den Zuschauern gemacht werden dürften.

Der Richter am Landgericht Thomas Quast befasste sich noch einmal mit dem mutmaßlichen Tatbestand der Billigung eines Angriffskrieges, der Kolbasnikova vorgeworfen worden war. Er gehe davon aus, dass er dem Amtsgericht folgen werde, insbesondere weil unter anderem auch die Vereinten Nationen diese Position verträten. Dabei wollte er vom Strafverteidiger wissen, warum dieser nach Anfrage des Richters keine schriftlichen Belege für die Position zugesandt habe, wonach es sich bei dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 keinesfalls um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt.

Damit habe Quast dem Anwalt und seiner Mandantin die Möglichkeit einräumen wollen, ihre Position anhand von Expertenliteratur und -stellungnahmen ausführlich zu begründen. Er wolle seine Auffassung in der Verhandlung vortragen, erklärte Beisicht. Die Position, wonach Russland der Aggressor sei, herrsche schließlich vor allem in westlichen Ländern. "Das ist die herrschende Auffassung im Westen, dass Russland der Aggressor ist", so der Verteidiger.

Gemäß russischer Auffassung sei der russische Einmarsch nach einer bereits erfolgten Abspaltung des Donbass erfolgt – nach einem Hilferuf der russischstämmigen Bevölkerung in der ostukrainischen Region. Seine Mandantin sei zu ihrer Sichtweise gekommen, weil sie hauptsächlich russische Quellen zur Meinungsbildung nutze, begründete Beisicht Kolbasnikovas Position. Man habe ihn innerhalb des Gerichts informiert, dass bei der Beklagten und ihrem Mann inzwischen noch ein weiteres Strafverfahren anhängig sei, gab der Richter bekannt. Ob er diese noch offenen Verfahren ansprechen bzw. in die Verhandlung einbeziehen dürfe, wollte er von Kolbasnikova und ihrem Anwalt wissen. Das wurde von Beisicht abgelehnt.

Schließlich schlug der Richter vor, das Verfahren zu unterbrechen. Er wolle der Verteidigung nochmals eine Frist von drei Wochen einräumen, in der Rechtsanwalt Beisicht Literatur und schriftliche Ausführungen einreichen sollte, um seine Position und die seiner Mandantin zum Krieg in der Ukraine darzulegen. Darüber hinaus schlug der Richter auch vor, bis zum nächsten Termin einen Sachverständigen mit einem völkerrechtlich-juristischen Gutachten zu beauftragen. Beisicht erklärte sich einverstanden, und somit wurde die Verhandlung vertagt.

Im anschließenden Gespräch erläutere der Rechtsanwalt, dass er als Verteidigung dem Gericht zwar Sachverständige vorschlagen dürfe, aber letztendlich der Richter die Auswahl treffe. "Das Gericht darf den Sachverständigen benennen, und der wird Mainstream sein", so Beisicht. Die Autorin wollte vom Anwalt wissen, warum er die vom Richter angefragten Belege für die Position nicht eingereicht habe.

Vor zwei Monaten sei er vom Richter aufgefordert worden, die Berufung zu begründen und Quellen und Unterlagen einzureichen, wonach der Einmarsch der Russen in die Ukraine kein völkerrechtswidriger Angriffskrieg sei. Er sei dem nicht gefolgt, weil dies in einem Strafverfahren absolut unüblich sei, erklärte Beisicht. Im Ergebnis sei nun erstmal eine Verurteilung verhindert worden und die Spezialoperation werde geprüft, fasste der Anwalt den Stand des Rechtsverfahrens zusammen.

Kolbasnikova sprach im Interview mit der Autorin auch über das weitere Strafverfahren gegen sie und ihren Mann. Sie engagiere sich seit Jahren im Verein "Brücke der Freundschaft Russland Deutschland". Im Rahmen dieser Vereinsarbeit würden Hilfsgüter in den Donbass gespendet und transportiert. Sie und ihr Mann hätten aufgrund des Vorwurfs, Waffen und Militärgüter in die ostukrainische Region zu schaffen, inzwischen schon zwei unangekündigte Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen müssen – jeweils ohne Ergebnis. Erst vor rund drei Wochen sei die Klageschrift dazu eingegangen. Darin würden dem Ehepaar Volksverhetzung, der Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz und der Verstoß gegen das Kriegswaffengesetz vorgeworfen. Sollten sie demnach verurteilt werden, drohten ihr und ihrem Mann bis zu fünf Jahre Gefängnis.

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